Mögliche Auswirkungen einer Arbeitsverhinderung auf das Ferienguthaben und auf den Ferienlohn

Art. 329b OR

Dokument­nummer

SVK 68/2015

Publikations­datum

16. Juni 2016

Version

30. November -0001

Zusammenfassung

Bei länger andauernder Arbeitsverhinderung kann der Ferienanspruch gemäss Art. 329b OR gekürzt werden, wenn die Absenzen eine gewisse Dauer überschreiten. Die Kürzung des Ferienguthabens gemäss Art. 329b OR ist jedoch die einzige ‚Sanktion‘ für die länger andauernde Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmers. Eine zusätzliche Einbusse in der Höhe des Ferienlohnes pro Zeiteinheit ist weder im LMV noch im OR vorgesehen. Ebenso wenig ist eine Kürzung der Höhe des prozentualen Ferienlohnes während der Krankheitsphase möglich.

Entscheidung

I. Kürzung des Ferienanspruchs infolge Arbeitsverhinderung

a) Gesetzliche Grundlage
Gemäss Art. 329b OR kann der Ferienanspruch eines Arbeitnehmenden gekürzt werden, wenn er öfters und länger nicht arbeiten kann und diese Absenzen zusammengerechnet eine gewisse Dauer überschreiten. Dabei wird zwischen den folgenden drei Verhinderungsgründen unterschieden: verschuldete Arbeitsverhinderung (Art. 329b Abs. 1 OR), unverschuldete Arbeitsverhinderung (Art. 329b Abs. 2 OR) und Arbeitsverhinderung bei Schwangerschaft (Art. 329b Abs. 3 OR). Da der LMV keine besondere Regelung vorsieht, ist die genannte Bestimmung auch im Bauhauptgewerbe anwendbar (vgl. Art. 80 LMV).
Das Obligationenrecht stellt für die Entstehung des Ferienanspruchs und die Kürzung desselben auf das Dienstjahr des betroffenen Arbeitnehmers ab.

b) Unverschuldete Arbeitsverhinderung
Bei Verhinderungen an der Arbeitsleistung aufgrund von Krankheit, Unfall, Erfüllung gesetzlicher Pflichten (z. B. Militärdienst) oder Ausübung eines öffentlichen Amtes usw. handelt es sich um unverschuldete Arbeitsverhinderungen.
In diesem Falle steht dem Arbeitnehmer eine einmonatige Schonfrist zu, in der der Ferienanspruch nicht gekürzt werden darf. Mit anderen Worten: Werden Arbeitnehmer unverschuldet um nicht mehr als einen Monat während eines Dienstjahres an der Arbeitsleistung verhindert, darf keine Kürzung des Ferienanspruchs vorgenommen werden. Überschreitet diese Verhinderung jedoch insgesamt einen Monat (angebrochene Monate werden nicht berücksichtigt), so kann der Arbeitgeber für jeden weiteren vollen Monat den Ferienanspruch um einen Zwölftel kürzen.
Die Schonfristen sind in jedem Dienstjahr von neuem zu berücksichtigen. Ist der Arbeitnehmer im selben Dienstjahr mehrmals abwesend (z.B. infolge mehrmaliger Krankheit oder Krankheit und Militärdienst), werden die Ausfalltage addiert. Es erfolgt somit keine Kumulation der Schonfristen.

c) Verschuldete Arbeitsverhinderung
Wenn der Arbeitnehmer durch sein Verschulden während eines Dienstjahres insgesamt um mehr als einen Monat an der Arbeitsleistung verhindert ist, kann der Ferienanspruch für jeden vollen Monat der Verhinderung um einen Zwölftel gekürzt werden. Bei selbstverschuldeter Arbeitsverhinderung besteht somit keine Schonfrist und der Arbeitgeber kann die Kürzung bereits ab dem ersten vollen Monat vornehmen. Auch in diesem Fall werden die einzelnen Arbeitsversäumnisse innerhalb eines Dienstjahrs zusammengezählt.

d) Verhinderung wegen Schwangerschaft
Fehlt eine Arbeitnehmerin aufgrund ihrer Schwangerschaft, kann ihr Ferienanspruch erst ab dem dritten Monat der Arbeitsverhinderung gekürzt werden (Art. 329b Abs. 3 OR). Die ersten beiden Monate sind als Schonfrist somit nicht zu berücksichtigen. Eine Ferienkürzung aufgrund der Abwesenheit infolge des Mutterschaftsurlaubs ist hingegen unzulässig.

II. Keine weiteren Konsequenzen bei längerer krankheitsbedingter Abwesenheit
Die oben umschriebene Kürzung des Ferienguthabens nach Art. 329b OR ist die einzige Konsequenz einer länger andauernden Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmers. Eine zusätzliche Einbusse in der Höhe des Ferienlohnes pro Zeiteinheit ist weder im LMV noch im OR vorgesehen. Gestützt auf diese Ausgangslage ist eine Kürzung der Höhe des prozentualen Ferienlohns während der Krankheitsphase nicht möglich. Als Konsequenz davon ist schliesslich auch der Bruttostundenlohn zur Berechnung des Krankentaggelds im Verlauf einer allfälligen Krankheit nicht zu kürzen.

Datei

SVK 68/2015
Bei länger andauernder Arbeitsverhinderung kann der Ferienanspruch gemäss Art. 329b OR gekürzt werden, wenn die Absenzen eine gewisse Dauer überschreiten. Die Kürzung des Ferienguthabens gemäss Art. 329b OR ist jedoch die einzige ‚Sanktion‘ für die länger andauernde Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmers. Eine zusätzliche Einbusse in der Höhe des Ferienlohnes pro Zeiteinheit ist weder im LMV noch im OR vorgesehen. Ebenso wenig ist eine Kürzung der Höhe des prozentualen Ferienlohnes während der Krankheitsphase möglich.