Einhaltung der Arbeits- und Ruhezeiten bei Entsendung

Art. 2 Abs. 1 lit. b EntsG; Art. 2 lit. d EntsV

Dokument­nummer

SVK 13/2007

Publikations­datum

6. März 2007

Version

30. November -0001

Zusammenfassung

Die Arbeitgeber mit Sitz im Ausland müssen gemäss Art. 2 Abs. 1 EntsG für die Dauer der Entsendung gewisse in der Schweiz geltende Arbeits- und Lohnbedingungen einhalten, die in Bundesgesetzen, Verordnungen des Bundesrats, allgemein verbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen und Normalarbeitsverträgen im Sinne von Art. 360a OR geregelt sind. Einzuhalten sind die in solchen Erlassen geregelten Arbeits- und Lohnbedingungen, die u.a. folgende Bereiche betreffen:

Minimale Entlöhnung, Arbeits- und Ruhezeiten, Mindestdauer der Ferien etc. (vgl. Art. 2 Abs. 1 lit. a bis f EntsG).  Was zu den Bestimmungen über die minimale Entlöhnung und über die Arbeits- und Ruhezeit gehört, ist abschliessend in den Art. 1 und 2 EntsV geregelt.

Die Dauer der Entsendung definiert sich aufgrund der Meldung des ausländischen Arbeitgebers im Sinne von Art. 6 EntsG. Während der Dauer der Entsendung sind somit die allgemeinverbindlich erklärten Bestimmungen des LMV zu prüfen und einzuhalten.

Entscheidung

Einhaltung der Arbeits- und Ruhezeiten im allgemeinverbindlich erklärten LMV bei Entsendung gestützt auf  Art. 2 Abs. 1 lit. b Entsendegesetz (Arbeits- und Ruhezeiten) in Verbindung mit Art. 2 lit. d Entsendeverordnung

1. Anwendung des Entsendegesetzes

Das Entsendegesetz kommt zur Anwendung, wenn Unternehmungen mit Sitz im Ausland einen Teil ihrer Arbeitnehmer in die Schweiz entsenden, um in ihrem Namen und auf ihre Rechnung eine Arbeitsleistung zu erbringen. Im Falle der Entsendung bleiben die betroffenen Arbeitnehmer dem Arbeitsvertrag unterstellt, den sie mit ihrem Arbeitgeber abgeschlossen haben. Das Entsendegesetz regelt jedoch die Gegenstände, die unabhängig vom Inhalt der einzelnen (ausländischen) Arbeitsverträge für die Dauer der Entsendung in die Schweiz zwingend einzuhalten sind. Wer als Arbeitnehmer gilt, bestimmt sich nach schweizerischem Recht. Massgebend ist der obligationenrechtliche Arbeitnehmerbegriff.

Art. 2 EntsG (Minimale Arbeits- und Lohnbedingungen) ist von zentraler Bedeutung. Er enthält die Definition der schweizerischen Bestimmungen, die auf die in die Schweiz entsandten Arbeitnehmer anwendbar sind. Wie in Absatz 1 der genannten Bestimmung aufgeführt, müssen Arbeitgeber mit Sitz im Ausland für die Dauer der Entsendung gewisse in der Schweiz geltenden Arbeits- und Lohnbedingungen einhalten, sofern diese in Bundesgesetzen, Verordnungen des Bundesrates, allgemeinverbindlich erklärten GAV und in Normalarbeitsverträgen nach Art. 360a OR geregelt sind. Bei diesen anzuwendenden Bundesgesetzen und Verordnungen des Bundesrates handelt es sich im Wesentlichen um öffentliches Recht (insbesondere Arbeitsgesetz und Verordnungen), teilweise ist aber auch das Privatrecht betroffen (z.B. OR).

Einzuhalten sind die in solchen Erlassen geregelten Arbeits- und Lohnbedingungen, die u.a. folgende Bereiche betreffen: minimale Entlöhnung, Arbeits- und Ruhezeiten, Mindestdauer der Ferien usw. (dazu Art. 2 Abs. 1 lit. a bis f EntsG).

Was zu den Bestimmungen über die minimale Entlöhnung und über die Arbeits- und Ruhezeit gehört, ist abschliessend in den Artikeln 1 und 2 EntsV geregelt. Zu den Bestimmungen über die Arbeits- und Ruhezeit im Sinne von Art. 2 Abs. 1 lit. b EntsG gehören u.a. die ordentliche Dauer der Arbeit und deren Verteilung, die Ruhezeiten und die Pausen sowie die Reise- und Wartezeiten.

2. Dauer der Entsendung

Wie bereits oben ausgeführt, müssen Arbeitgeber mit Sitz im Ausland für die Dauer der Entsendung gewisse in der Schweiz geltenden Arbeits- und Lohnbedingungen einhalten, sofern diese in Bundesgesetzen, Verordnungen des Bundesrates, allgemeinverbindlich erklärten GAV und in Normalarbeitsverträgen nach Art. 360a OR geregelt sind.

Das Arbeitsgesetz hat zum Ziel, die Arbeitnehmenden vor gesundheitlichen Beeinträchtigungen, welche mit den Arbeitsbedingungen verbunden sind, zu schützten. Einerseits enthält es Vorschriften über den allgemeinen Gesundheitsschutz, andererseits Vorschriften über die Arbeits- und Ruhezeiten. Letztere sollen die Arbeitnehmenden aus gesundheitlichen Gründen vor überlangen und anderen beschwerlichen Arbeitszeiten schützen. Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei all diesen Schutzvorschriften um zwingende Mindestvorschriften, von denen grundsätzlich durch Vertrag nicht abgewichen werden darf. Das Arbeitsgesetz setzt somit den Betrieben in Bezug auf Gesundheitsschutz und die Arbeitzeitgestaltung Grenzen.

Grundsätzlich gilt für die schweizerische Gesetzgebung das Territorialitätsprinzip bzw. das Gebietsprinzip. Im Rahmen des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (Abgeschlossen am 21. Juni 1999, in Kraft getreten am 1. Juni 2002) ist jedoch eines der Ziele dieses Abkommens die Einräumung und Sicherstellung der gleichen Lebens-, Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen wie für Inländer. Diese Ziele wurden mittels der flankierenden Massnahmen u.a. im Entsendegesetz verankert. Entsprechend müssen die Arbeitgeber mit Sitz im Ausland für die Dauer der Entsendung gewisse in der Schweiz geltenden Arbeits- und Lohnbedingungen einhalten. Dies gilt insbesondere für die öffentlichrechtlichen Schutzbestimmungen des Arbeitsgesetzes (gilt analog auch für die Kriterien, die bei der Arbeitssicherheit zu berücksichtigen sind). Die Dauer der Entsendung bestimmt der Arbeitgeber im Rahmen des Meldeverfahrens (Art. 6 EntsG in Verbindung mit Art. 6 EntsV).

Es liegt auf der Hand, dass gerade die Schutzvorschriften über die Arbeits- und Ruhezeiten für alle Entsandten zu gelten haben, unabhängig davon, ob diese während der Dauer der Entsendung in der Schweiz in einer Unterkunft verweilen oder ob sie täglich in die Schweiz einreisen. Im letzteren Fall ist zudem festzuhalten, dass durch die tägliche ‚Heimrückkehr‘ die ‚Entsendedauer‘ nicht mit dem täglichen Grenzübertritt unterbrochen wird. Gerade mit Blick auf die vom Gesetzgeber statuierte Gleichbehandlung von ausländischen mit inländischen Arbeitgebern kann es freilich nicht angehen, die faktischen Reisezeiten der ausländischen Arbeitnehmerschaft ab Werkhof bzw. Anstellungsort bis zur Baustelle anders zu behandeln als entsprechende Reisezeiten beispielsweise einer Luzerner Arbeitnehmerschaft zu einer Baustelle in Liestal. Es geht hier weniger um eine Frage des Territorialitätsprinzips als um das oberste Gebot der Gleichbehandlung im Abkommen über die Freizügigkeit zwischen den Staatsvertragsparteien und der daraus folgenden Umsetzung durch den Schweizer Gesetzgeber. Der Entsendesachverhalt ist überdies selbstredend umfassend und für die gesamte Entsendedauer zu betrachten, weshalb auch die von der kontrollierten Unternehmung eventualiter postulierte Anrechnung lediglich der Reisezeit jeweils ab Schweizer Grenze nicht in Betracht fällt, sondern die gesamte Reisezeit ab Anstellungsort bzw. Werkhof als lohnzahlungspflichtig zu veranschlagen ist.

3. Zusammenfassung

In Erwägung der obigen Ausführungen ist festzuhalten, dass gestützt auf das Entsendegesetz öffentlichrechtliche Regelungen des Arbeitsgesetzes und die entsprechenden Verordnungen bei Arbeitgebern mit Sitz im Ausland für die Dauer der Entsendung in der Schweiz einzuhalten sind. Die Dauer der Entsendung definiert sich aufgrund der Meldung des ausländischen Arbeitgebers i.S. von Art. 6 EntG.

Aus dem Gesagten ergibt sich, dass während der Dauer der Entsendung die allgemeinverbindlich erklärten Bestimmungen des LMV zu prüfen und einzuhalten sind. Die Einhaltung der Mindestlöhne ist im Verhältnis zur Arbeitszeit zu prüfen (Art. 1 lit. a EntsV). Zu den Bestimmungen über die Arbeitszeit gemäss Entsendegesetz und Entsendeverordnung gehören u.a. Regelungen der ‚ordentlichen‘ Arbeitszeit und der Reisezeiten. Die Auslegung der Arbeitzeitbestimmung von Art. 23 LMV ist klar. Während der Entsendedauer richtet sich die Entlöhnung der Arbeitszeit nach den allgemeinverbindlich erklärten Bestimmungen des Landesmantelvertrags im Bauhauptgewerbe. Im Bauhauptgewerbe ist die Reisezeit, d.h. die zusätzliche Wegzeit vom Anstellungsort / Werkhof zur Baustelle als Arbeitzeit zu qualifizieren und entsprechend zu entlöhnen.

Datei

SVK 13/2007
Die Arbeitgeber mit Sitz im Ausland müssen gemäss Art. 2 Abs. 1 EntsG für die Dauer der Entsendung gewisse in der Schweiz geltende Arbeits- und Lohnbedingungen einhalten, die in Bundesgesetzen, Verordnungen des Bundesrats, allgemein verbindlich erklärten Gesamtarbeitsverträgen und Normalarbeitsverträgen im Sinne von Art. 360a OR geregelt sind. Einzuhalten sind die in solchen Erlassen geregelten Arbeits- und Lohnbedingungen, die u.a. folgende Bereiche betreffen: Minimale Entlöhnung, Arbeits- und Ruhezeiten, Mindestdauer der Ferien etc. (vgl. Art. 2 Abs. 1 lit. a bis f EntsG).  Was zu den Bestimmungen über die minimale Entlöhnung und über die Arbeits- und Ruhezeit gehört, ist abschliessend in den Art. 1 und 2 EntsV geregelt. Die Dauer der Entsendung definiert sich aufgrund der Meldung des ausländischen Arbeitgebers im Sinne von Art. 6 EntsG. Während der Dauer der Entsendung sind somit die allgemeinverbindlich erklärten Bestimmungen des LMV zu prüfen und einzuhalten.