Betrieblicher Geltungsbereich: Allgemeine Aspekte

Art. 2 Abs. 3 und 4 AVE LMV; Art. 2 LMV

Dokument­nummer

VK SPK 47/2005

Publikations­datum

9. Mai 2006

Version

30. November -0001

Zusammenfassung

Merkpunkte für die Auslegung des betrieblichen Geltungsbereichs. Feststellung, dass es sich bei LMV um einen Branchenvertrag handelt; Differenzierung echter / unechter Mischbetrieb; Unterstellung unter LMV bei Bejahung des betrieblichen Geltungsbereichs

Entscheidung

Allgemeine Aspekte zum betrieblichen Geltungsbereich

Die Vertragsparteien haben den betrieblichen Geltungsbereich in Art. 2 LMV sowie der Protokollvereinbarung zum betrieblichen Geltungsbereich, Anhang 7 LMV detailliert geregelt. Auch wenn diese einzelnen Regelungen nicht allgemeinverbindlich erklärt sind, wiedergeben sie den Willen der Vertragsparteien, was unter den Tätigkeiten des Hoch- und Tiefbaus zu verstehen bzw. zu subsumieren ist.

An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass es sich beim Landesmantelvertrag im Bauhauptgewerbe um einen Branchenvertrag handelt. Der sog. sachliche Geltungsbereich ist betrieblich bestimmt. Entsprechend wird in Art. 2 Abs. 1 LMV festgehalten: ‚Der LMV gilt für alle inländischen und ausländischen in der Schweiz tätigen Betriebe bzw. Betriebsteile, Subunternehmer und selbständige Akkordanten, die Arbeitnehmende beschäftigen, wie Schaler, Eisenleger, Maurer usw., welche gewerblich tätig sind […] ‚.

Mit anderen Worten, der LMV gilt für alle Betriebe bzw. Betriebsteile, die überwiegend diesem Wirtschaftszweig angehören. Massgebend ist nicht der Handelsregistereintrag, sondern die tatsächliche Tätigkeit. Bei unechten Mischbetrieben sind diejenigen (tatsächlichen) Tätigkeiten entscheidend, die dem Betrieb als Ganzes das Gepräge geben. Innerhalb dieser Betriebe gilt der Grundsatz der Tarifeinheit, d.h. dass alle Arbeitsverhältnisse dieser Betriebe einem einzigen GAV unterliegen. Da der LMV auch für einzelne Betreibsteile gelten kann (bei sog. echten Mischbetrieben), so ist seine Anwendbarkeit für diese selbständig zu bestimmen. (Dazu auch Basler Kommentar zum Obligationenrecht I, Art. 1 – 529 OR, Manfred Rehbinder/Wolfgang Portmann, 3. Auflage Art. 357 N32).

Zudem ist auf den Zusammenhang zwischen dem betrieblichen (bzw. sachlichen) und dem persönlichen Geltungsbereich hinzuweisen. ‚Das Prinzip der Vertragsfreiheit ermöglicht es den Vertragspartnern, die Anwendbarkeit des Gesamtarbeitsvertrages innerhalb des sachlichen Geltungsbereichs auf einzelne Arbeitnehmergruppen zu beschränken oder einzelne Arbeitnehmergruppen von der Geltung auszunehmen‘ (dazu Berner Kommentar zum Obligationenrecht Bd. VI/2/2/3, Art. 356 N58). Die Vertragsparteien des LMV tragen diesem Prinzip Rechnung indem sie bei der Regelung des persönlichen Geltungsbereichs in Art. 3 Abs. 1 LMV auf Art. 2 LMV (betrieblichen Geltungsbereich) Bezug nehmen. Entsprechend wird der persönliche Geltungsbereich wie folgt festgelegt: Der LMV gilt für die in den Betrieben nach Art. 2 LMV beschäftigte Arbeitnehmenden, welche auf Baustellen und in Hilfsbetrieben der Baubetriebe tätig sind.

Im Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass die im LMV (2005 bzw. 2006) im ersten Teil ‚Allgemeine Bestimmungen‘ unter ‚1. Geltungsbereich‘ insbesondere in den Art. 1 bis 3 festgelegten Bestimmungen nur für Verbandsmitglieder gelten. Für die Unterstellungsproblematik gelten für Aussenseiter die im Bundesratsbeschluss über die Allgemeinverbindlicherklärung des Landesmantelvertrages für das Bauhauptgewerbe festgelegten Bestimmungen bezüglich des räumlichen, betrieblichen und persönlichen Geltungsbereichs; im Einzelnen kann auf die folgenden Bundesratsbeschlüsse verwiesen werden: BRB 10.11.1998, BRB 22.08.2003 und BRB 04.05.2004.

In BRB vom 10.11.1998 wird der betriebliche Geltungsbereich in Art. 2 Abs. 3 geregelt. In Abs. 4 wird der persönliche Geltungsbereich wie folgt festgehalten: ‚Die allgemeinverbindlich erklärten Bestimmungen gelten für die in den Betrieben nach Absatz 3 beschäftigten Arbeitnehmer (unabhängig ihrer Entlöhnungsart und ihres Anstellungsortes), welche auf Baustellen und in Hilfsbetrieben der Baubetriebe tätig sind.‘

Bei der Anwendung und Durchsetzung des LMV ist deshalb im Einzelfall grundsätzlich abzuklären, ob ein Unternehmen unter den betrieblichen Geltungsbereich fällt (gewerbsmässige Tätigkeit des Betriebs oder eines Betriebsteils). Falls dies bejaht werden kann, ist bezüglich der einzelnen Arbeitnehmer zu prüfen, ob sie unter den persönlichen Geltungsbereich fallen. Im umgekehrten Fall (d.h. wenn der Betrieb nicht unter den betrieblichen Geltungsbereich der AVE fällt und nicht Mitglied des vertragsschliessenden Arbeitgeberverbandes ist) liegt nie eine Unterstellung unter den LMV vor, auch wenn der Arbeitnehmer auf einer Baustelle im Sinne von Art. 2 Abs. 4 des Bundesratsbeschlusses tätig ist. Aus diesem Grund hat die VK SPK im Schreiben vom 20. Februar 2006 festgehalten, dass eine private Person, die sein Eigenheim baut und einen Arbeitnehmer anstellt, nicht unter den allgemeinverbindlich erklärten Landesmantelvertrag für das Bauhauptgewerbe fällt.

Die Kommission hat festgestellt, dass zwischen der deutschen und der französischen Version von Art. 3 LMV Unterschiede bestehen und die französische Version zur Annahme führen kann, dass sämtlich auf Baustellen tätigen Arbeitnehmer (unabhängig vom Einsatzbetrieb) dem Vertrag unterstellt seien. Da für die vorliegende Frage jedoch allein der Text des Bundesratsbeschlusses massgebend ist, ist dieses Problem nicht von Bedeutung.

Datei

VK SPK 47/2005
Merkpunkte für die Auslegung des betrieblichen Geltungsbereichs. Feststellung, dass es sich bei LMV um einen Branchenvertrag handelt; Differenzierung echter / unechter Mischbetrieb; Unterstellung unter LMV bei Bejahung des betrieblichen Geltungsbereichs